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Darlehen oder Schenkung

Sachverhalt
X., Jahrgang 1930, und Z., Jahrgang 1941, lebten von 1998 bis 2000 in einer Paarbeziehung. X. wurde Mitte 1994 pensioniert. Z. war finanziell selbständig. Seit anfangs 1997 hatte sie gesundheitliche Probleme. Sie liess sich anfangs 1999 vorzeitig pensionieren. Von da an erhielt sie eine monatliche Rente von Fr. 4‘815.– anstelle des Betrages von Fr. 6‘990.–, den sie erhalten hätte, wenn sie ihre Berufstätigkeit bis zum Alter von 62 Jahren ausgeübt hätte.
Bereits früher, am 2. September 1997 kaufte Z. eine Villa in Frankreich zum Preis von FF 2‘000‘000.–. X. überwies ihr im Jahr 1997 einen Betrag von FF 2‘222‘000.– zum Zwecke dieses Kaufes. Zudem überwies er ihr später weitere FF 509‘285.–.
Im Jahr 2000 trennten sich die beiden Parteien im Streit.
In der Folge kam es zu verschiedenen rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen X und Z.

Streitgegenstand / Problemstellung
Die Parteien streiten sich letztlich über die Überweisung der beiden Beträge von FF 2 222 000.– und FF 509 285.– sowie über den Rechtsgrund der Überweisung. Strittig war im Prozess die Frage, ob zwischen den Parteien ein Darlehen (so X; er fordert die Rückzahlung) oder eine Schenkung (so Z, keine Rückzahlungspflicht) vereinbart worden war. Wie so oft lag kein schriftlicher Vertrag vor, der für Klarheit hätte sorgen können (zum Entscheid vgl. Bundesgericht in 144 III 93).

Entscheidungskriterien
1. Massgeblichkeit der Willenserklärungen
Ob sich die Parteien auf einen Darlehensvertrag geeinigt haben, wie X geltend macht, oder auf eine Schenkung, wie Z. vorbringt, ist eine Frage ihrer Willenserklärungen. Diese sind regelmässig auszulegen.

2. Subjektive vs. objektive Auslegung
Ob Parteien einen Vertrag abgeschlossen haben und mit welchem Inhalt, entscheidet sich in erster Linie nach dem subjektiven Willen der Parteien. Haben sich die Parteien übereinstimmend verstanden, so ist dieser tatsächliche Konsens verbindlich. Ein tatsächlicher Konsens muss meist empirisch auf der Grundlage von Indizien nachgewiesen werden. Indizien in diesem Sinne bilden neben dem Wortlaut auch der allgemeine Kontext, das heisst alle Umstände, welche die Entdeckung des wirklichen Willens der Parteien erlauben, seien es Erklärungen, die im Vorfeld des Vertragsschlusses abgegeben wurden, oder Tatsachen, die sich nach diesem ereignet haben, namentlich das spätere Verhalten der Parteien, das über den ursprünglichen Willen der Parteien Aufschluss geben kann.
Haben sich die Parteien tatsächlich nicht verstanden, war ihnen dies aber bei Vertragsabschluss nicht bewusst, so sind die Willenserklärungen objektiv auszulegen. Dann wird nach dem objektiven Sinn gefragt, den man den Willenserklärungen der Parteien gemäss dem Vertrauensprinzip geben kann. In Anwendung des Vertrauensprinzips hat der Richter den Sinn festzustellen, den jede Partei den Willenserklärungen der anderen Partei vernünftigerweise beimessen konnte und musste.

3. Anwendung im Prozess
In einem Prozess hat der Richter zunächst immer die wirkliche und gemeinsame Absicht der Parteien (subjektive Auslegung) zu prüfen. Wenn dies nicht gelingt, was eine Beweisfrage ist, hat er eine Auslegung nach dem Vertrauensprinzip vorzunehmen (objektive oder normative) Auslegung. Letzteres ist eine Rechtsfrage.

Entscheidung
Das Bundesgericht geht davon aus, dass eine tatsächliche Einigung nicht nachweisbar ist. Die Umstände waren also nach Treu und Glauben auszulegen (normative Auslegung).
Für das Bundesgericht sprachen für eine Schenkung die Umstände, dass X am 25. Juni und am 25. August 1997 seiner Freundin FF 2 000 000.– überwiesen hat, um die Villa in Mougins zu erwerben, dass diese die Villa im September 1997 gekauft hat, dass sie am 15. Januar 1999 mit X in Rolle zusammengezogen ist und dass sie sich per 1. Februar 1999 vorzeitig pensionieren liess, das heisst im Jahr, in welchem sie 58 Jahre alt wurde, so dass sie nur eine monatliche Rente von Fr. 4815.– erhielt anstatt der Fr. 6990.–, die sie erhalten hätte, wenn sie sich nicht hätte vorzeitig pensionieren lassen.
Wohl erachtete das Bundesgericht den Betrag von FF 2‘222‘000.– als hoch. Aber X hatte den Gesamtumfang seines Vermögens im Prozess weder behauptet noch bewiesen. Es war deshalb nicht möglich zu beurteilen, ob eine Ausnahmesituation in dem Sinne vorlag, dass es sich mit Blick auf das Verhältnis zwischen dem überwiesenen Betrag und der Grösse des Vermögens nur um ein Darlehen handeln konnte.

Fazit
Wer grössere Geldbeträge überweist, vor allem im Rahmen von persönlichen Beziehungen, tut gut daran, den Rechtsgrund vorher schriftlich festzuhalten. Wer dies nicht tut, riskiert, dass die Übergabe nach Treu und Glauben als Schenkung qualifiziert wird.

The Advisor – Recht