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Erbunwürdigkeit und strafrechtliche Einziehung

Sachverhalt
Ein Sohn brachte seine beiden Eltern um. Folge war ein langwieriges Strafverfahren. Da es sich um eine Tötung handelte, war nicht nur der Strafanspruch des Staates zu klären sondern auch die Nachfolge in den Nachlass der Eltern zu regeln. Die Eltern hinterliessen nämlich ein beträchtliches Vermögen. Der Sohn war einziger Nachkomme. Die Eltern hinterliessen neben ihm drei Geschwister. Noch bevor das Strafverfahren vor Gericht beurteilt wurde, schlossen der Sohn und die drei Geschwister der Eltern am 4. März 2016 eine Vereinbarung ab. In dieser anerkannte der Sohn seine Erbunwürdigkeit. Als Gegenleistung für die Anerkennung und zur Vermeidung langwieriger Auseinandersetzungen wurden ihm von den drei Geschwistern der Eltern eine Wohnung und Fr. 100‘000.- zugesagt. Vier Monate später, nämlich am 4. Juli 2016, sprach das zuständige Bezirksgericht den Sohn mit Urteil vom 4. Juli 2016 des Mordes (Art. 112 StGB) an seinen Eltern schuldig. Es verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 20 Jahren und ordnete eine stationäre therapeutische Massnahme an. Zudem verfügte es die Einziehung der Ansprüche des Sohnes gegen die drei Geschwister der Eltern auf Bezahlung von Fr. 100‘000.– und auf Übereignung einer Wohnung. Das Obergericht bestätigte den Schuldspruch und die Strafe, hob aber die Einziehung auf. Die Oberstaatsanwaltschaft wollte auch die strafrechtliche Einziehung durchsetzen und gelangte ans Bundesgericht.

Streitgegenstand / Problemstellung
Zu entscheiden war die Frage, ob der Staat die von den drei Geschwistern zugesagten Gegenstände, nämlich Wohnung und Bargeld, unter Anwendung von Art. 70 StGB einziehen durfte. In diesem Zusammenhang war auch über die Gültigkeit der Vereinbarung vom 4. März 2016 zu entscheiden (zum Entscheid vgl. Bundesgericht in 6B_1091/2017).

Entscheidung
Erbunwürdigkeit und Folgen einer solchen
Wer vorsätzlich und rechtswidrig den Tod des Erblassers herbeigeführt oder herbeizuführen versucht hat, ist unwürdig, Erbe zu sein oder aus einer Verfügung von Todes wegen irgendetwas zu erwerben (Art. 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB). Die Regelung über die Erbunwürdigkeit dient dem Schutz des Erblassers. Sie ist deshalb zwingender Natur. Sie tritt ein, ohne dass die Erben sie geltend machen müssen. Auch ein Verzicht auf die Geltendmachung der Erbunwürdigkeit ist ungültig. Die Erbunwürdigkeit ist von Amtes wegen durchzusetzen. Dass der Sohn im vorliegenden Fall seine Eltern ermordet hatte, steht aufgrund des rechtskräftigen Strafurteils fest. Damit war auch seine Erbunwürdigkeit erstellt. Wäre deshalb der Sohn durch die Vereinbarung vom 4. März 2016 als Erbe anerkannt worden und hätte er die Wohnung und das Bargeld als Erbe erhalten, wäre die Vereinbarung wohl ungültig gewesen. Zweck der Vereinbarung vom 4. März 2016 war aber nicht eine erbrechtliche Auseinandersetzung mit dem Sohn als Miterben, sondern die Vermeidung längerer Auseinandersetzungen, wobei die Erbunwürdigkeit des Sohnes von ihm selber in der Vereinbarung anerkannt wurde. Er handelte also gerade nicht als Erbe. Die Vereinbarung vom 4. März 2016 war also zivilrechtlich gültig. Zu entscheiden war noch, ob die aus der Vereinbarung entstehenden Ansprüche einzuziehen waren.

Strafrechtliche Einziehung
Das Gericht verfügt gemäss Art. 70 Abs. 1 StGB die Einziehung von Vermögenswerten, die durch eine Straftat erlangt worden sind oder dazu bestimmt waren, eine Straftat zu veranlassen oder zu belohnen. Die sogenannte Ausgleichseinziehung beruht auf dem Gedanken, dass sich strafbares Verhalten nicht lohnen darf. Die strafrechtliche Einziehung setzt ein Verhalten voraus, das den objektiven und den subjektiven Tatbestand einer Strafnorm erfüllt und rechtswidrig ist. Erforderlich ist zudem, dass zwischen der Straftat und dem erlangten Vermögenswert ein Zusammenhang besteht. Ein solcher Zusammenhang zwischen Straftat und Vermögenswert besteht, wenn die Erlangung des einzuziehenden Vermögenswerts als direkte und unmittelbare Folge der Straftat erscheint. Die Straftat muss die wesentliche respektive adäquate Ursache für die Erlangung des Vermögenswerts sein. Der Vermögenswert muss typischerweise aus der Straftat herrühren, damit er eingezogen werden kann. Vermögenswerte, die aus einem objektiv legalen Geschäft stammen, sind nicht einziehbar. Der Sohn erlangte den Anspruch auf Übertragung der Stockwerkeigentumswohnung und auf Bezahlung der Fr. 100‘000.– nicht durch die Tötungsdelikte. Erst aufgrund des zwischen ihm und den Geschwistern der Eltern später, d.h. nach der Tötung abgeschlossenen Rechtsgeschäfts erwarb der Sohn diese Ansprüche. Ein Zusammenhang zwischen dem Mord an seinen Eltern und dem Erhalt der Vermögenswerte bestand also nicht. Die Voraussetzungen für eine Einziehung nach Art. 70 Abs. 1 StGB waren deshalb nicht erfüllt.

Fazit
Bei Delikten stehen meist finanzielle Anreize im Vordergrund. Der Entscheid macht darauf aufmerksam, dass die aus Delikten stammenden Vermögenswerte eingezogen werden können, wenn zwischen dem Delikt und dem Vermögenswert ein Zusammenhang besteht. Der Entscheid zeigt aber auch, dass der Begriff des Zusammenhangs nicht beliebig ausgedehnt werden darf.

The Advisor – Recht