+17.66%
YTD 2024
+12.28%
Jahr 2023
-6.63%
Jahr 2022
+20.79%
Jahr 2021
+45.48%
Jahr 2020

Laden ohne Bewilligung

Sachverhalt
Mieter und Vermieter schlossen am 14. Juni 2013 einen Mietvertrag fest für 10 Jahre ab. Mietobjekt war ein Ladenlokal, Mietbeginn der 1. April 2014.
Nach Vertragsabschluss stellte die Mieterin ein Baugesuch, mit welchem die Umnutzung und der Umbau des gemieteten Ladenlokals bewilligt werden sollte. Dem Baugesuch stand aber die Verkehrssicherheit im Weg. Insbesondere das Zulieferungskonzept der Mieterin konnte nicht bewilligt werden. Auch eine Projektänderung und ein Rekurs beim Baurekursgericht nützten nichts. Das Baugesuch wurde rechtskräftig abgewiesen. In der Folge wollte die Mieterin aus dem Mietvertrag ausscheiden und kündigte aus wichtigen Gründen nach Art. 266 OR auf den 31. Januar 2015.

Streitgegenstand / Problemstellung
Zu entscheiden waren zwei Fragen. Zum einen war strittig, ob wichtige Gründe für eine vorzeitige Auflösung des Mietvertrages vorlagen, zum anderen waren die finanziellen Folgen der Auflösung zu regeln (zum Entscheid vgl. Bundesgericht in 4A_54/2018).
Entscheidung

1. Einordnung der Kündigung aus wichtigen Gründen ins Vertragsrecht
Grundsätzlich sind abgeschlossene Verträge umfassend einzuhalten. Bei langfristigen Verträgen, auch Dauerschuldverhältnisse genannt, ist aber praxisgemäss eine vorzeitige Beendigung aus wichtigen Gründen möglich. Art. 266g OR regelte diese Kündigungsmöglichkeit für den Mietvertrag. Der Mietvertrag ist ein typischer Vertreter eines Dauerschuldverhältnisses.

2. Voraussetzungen für das Vorliegen wichtiger Gründe
Eine vorzeitige Kündigung erfordert aber qualifizierte Voraussetzungen, eben wichtige Gründe. Wichtige Gründe sind, so auch nach Art. 266g Abs. 1 OR, Umstände, welche die Vertragserfüllung sowohl objektiv als auch subjektiv unzumutbar machen. Dabei dürfen die angerufenen Umstände bei Vertragsabschluss nicht bekannt und auch nicht vorhersehbar gewesen sein. Sie dürfen auch nicht auf ein Verschulden der kündigenden Partei zurückführbar sein, Ob solche wichtige Gründe im Einzelfall vorliegen, ist gemäss Art. 4 ZGB nach Recht und Billigkeit zu entscheiden.

3. Folgen der Kündigung aus wichtigen Gründen
3.1 Auflösung des Mietvertrages
Liegen wichtige Gründe vor, so kann vorzeitig gekündigt werden, auch wenn ursprünglich eine viel längere Vertragsdauer abgemacht wurde.
3.2 Regelung der finanziellen Folgen
Die vermögensrechtlichen Folgen regelt das Gericht unter Würdigung aller Umstände. Eine Entschädigung muss auf jeden Fall billig erscheinen. Massgebend sind die Umstände des Einzelfalls. Kriterien dafür sind u.a. die finanzielle Situation der Parteien im Zeitpunkt des Urteils, das Verschulden einer der Parteien und die Nichterfüllung der Schadensminderungspflicht durch eine der Parteien.

4. Entscheidung
Im vorliegenden Fall bejahte das Bundesgericht das Vorliegen wichtiger Gründe. Beiden Parteien war bei Vertragsabschluss klar, dass die Nutzung des Mietobjektes als Laden eine Bewilligung für Umnutzung und Betrieb erforderte. Der Umstand, dass diese nicht erteilt wurde, wiege deshalb in objektiver und subjektiver Hinsicht so schwer, dass vom Mieter nicht Erfüllung eines 10-jährigen Vertrages verlangt werden konnte. Die Weiterführung des Vertragsverhältnisses war für ihn nicht zumutbar. Voraussehbarkeit lag nicht vor.
Wohl sei in Bewilligungsverfahren immer auch damit zu rechnen, dass diese nicht erteilt werde. Im vorliegenden Fall gingen aber beide Parteien davon aus, dass die Bewilligung problemlos erteilt würde. Der Ablehnung der Bewilligung liege wohl ein Strassenprojekt der Bewilligungsbehörde zugrunde, von welchem beide Parteien nichts wussten. Der Mieter änderte zudem während des Bewilligungsverfahrens sein Anlieferkonzept und wehrte sich auch mit Rekurs. Er hat damit verhältnismässigen Aufwand getätigt, um die Bewilligung zu erhalten. Es kann dem Mieter deshalb auch kein Verschulden vorgeworfen werden. Die Kündigung auf den 31. Januar 2015 wurde deshalb geschützt. Der Mietvertrag endete damit auf diesen Zeitpunkt hin.
Bei der Regelung der finanziellen Folgen war entscheidend, dass bei Geschäftsmietverträgen der Vermieter grundsätzlich für eine übliche Zulieferungsmöglichkeit zu sorgen hat. Vertraglich wurde die Zulieferung nicht in die Risikosphäre des Mieters übertragen. Auf beiden Seiten liege kein Verschulden vor; finanziell war die Kündigung für beide Parteien verkraftbar. Die fehlende Bewilligung war schliesslich ein gewichtiger Grund für die vorzeitige Auflösung. Die Entschädigung, welche der Mieter dem Vermieter zu zahlen hatte, wurde deshalb nach Ermessen auf einen Monatszins (Fr. 16‘490.-) festgelegt. Daneben war natürlich, wenn auch vom Handelsgericht vergessen, der Mietzins bis zum Kündigungsdatum geschuldet.

Fazit
Sind bei Geschäftsmietverträgen grössere Umbauarbeiten und deshalb Bewilligungen notwendig, drängt es sich auf zu regeln, wer diese einzuholen hat und das Risiko trägt, wenn diese nicht erhältlich sind. Es ist in solchen Fällen das gesamte Geschäftsprojekt des Mieters durchzudenken und nicht nur ein Standardmietvertrag zu regeln.

The Advisor – Rund um Immobilien