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Mängel am Stockwerkeigentum

Sachverhalt
Die Unternehmerin A realisierte auf ihrem Grundstück eine Mehrfamilienhaus-Siedlung. Diese besteht aus drei Mehrfamilienhäusern mit gemeinsamen Infrastrukturanlagen.
Vor Beginn der Bauarbeiten errichtete die Unternehmerin Stockwerkeigentum an Wohneinheiten und gewöhnliches Miteigentum an der Autoeinstellhalle. Die Unternehmerin verkaufte dann verschiedene Stockwerkeinheiten ab Plan an diverse Käufer. Zusammen mit dem Kaufvertrag wurde ein als „Generalunternehmervertrag“ bezeichnete Vereinbarung abgeschlossen
Nach Erstellung der Bauten wurden Mängel festgestellt. Die Stockwerkeigentümergemeinschaft liess sich daraufhin von verschiedenen Eigentümern – aber nicht von allen – die Nachbesserungsrechte abtreten.
Aufforderungen an die Unternehmerin zur Behebung der Mängel brachten nichts. Mit Klage vom 5. Mai 2014 verlangte die Stockwerkeigentümergemeinschaft deshalb gestützt auf die Abtretung von diversen Stockwerkeigentümern die Bevorschussung der Kosten für die Behebung von Mängeln an gemeinschaftlichen Gebäudeteilen im Umfang von Fr. 678‘992.70 zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 22. November 2013.

Streitgegenstand / Problemstellung
Zu entscheiden war die Frage, ob die Stockwerkeigentümergemeinschaft selbst diese Nachbesserungsrechte überhaupt geltend machen konnte oder diese Geldendmachung durch die Stockwerkeigentümer hätte erfolgen müssen (zum Entscheid vgl. Bundesgericht in 4A_71/2018).

Entscheidung
1. Vermögens- und Handlungsfähigkeit sowie Partei- und Prozessfähigkeit
Die Stockwerkeigentümergemeinschaft ist keine natürliche Person und auch keine juristische Person. Ihre Rechts- oder Vermögensfähigkeit muss deshalb pro geltend gemachtem Anspruch im Einzelfall rechtlich hergeleitet werden.
Die Zuständigkeit der Stockwerkeigentümergemeinschaft für Unterhalt, Reparatur und Erneuerung der gemeinschaftlichen Bauteile schliesst die Befugnis mit ein, Mängel an diesen Bauteilen zu beheben oder beheben zu lassen. Die Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer ist aufgrund der gesetzlichen Vorschrift in Art. 712l Abs. 1 ZGB vermögensfähig. Im Rahmen dieser vermögensrechtlichen Zuständigkeit ist sie nach Art. 712l Abs. 2 ZGB auch partei- und prozessfähig, kann also die Vermögensansprüche im Prozess durchsetzen, insbesondere kauf- oder werkvertragliche Gewährleistungsansprüche gegen Verkäufer und Unternehmer geltend machen. Diese rechtliche Selbständigkeit kommt ihr aber nur als Verwaltungsgemeinschaft zu, nicht etwa auch als Eigentumsgemeinschaft.

2. Erwerb der Rechte
Die Stockwerkeigentümergemeinschaft kann nicht nur Gewährleistungsansprüche aus von ihr selbst geschlossenen Verträgen durchsetzen, sondern kann derartige Ansprüche auch von einzelnen Stockwerkeigentümern durch Zession erwerben. Allerdings müssen die Ansprüche zedierbar sein und Mängel an gemeinschaftlichen Bauteilen betreffen.
Ein Rechtserwerb kann dabei nur durch privatautonomes Verfügungsgeschäft erfolgen. Es gibt keine gesetzliche Bestimmung, welche eine Legalzession vorsehen würde.

3. Keine Quotenbezogenheit mehr
In der bisherigen Praxis ging das Bundesgericht von der Quotenbezogenheit des werkvertraglichen Nachbesserungsanspruchs für Mängel an gemeinsamen Bauteilen aus. Das hatte zur Folge, dass bei einer vom Gericht geschützten Nachbesserung diese wohl realiter ausgeführt wurde, von den Gesamtkosten aber die nicht abgetretenen Quoten der Nachbesserung vom Kläger selbst bezahlt werden mussten. Mit dem vorliegenden Entscheid wurde diese Praxis der Quotenbezogenheit aufgegeben. Damit gibt es keine Pflicht mehr zur Zahlung des von den abgetretenen Wertquoten nicht erfassten Teils der Nachbesserungskosten, wenn nicht alle Stockwerkeigentümer ihre Rechte auf die Stockwerkeigentümergemeinschaft abtreten.
Eine andere Frage ist es natürlich, ob der Nachbesserungsanspruch überhaupt besteht.

4. Koordination der Stockwerkeigentümer
Zu beachten ist, dass über bauliche Massnahmen und über eine rechtliche Auseinandersetzung im Rahmen und nach Massgabe der gesetzlichen oder reglementarischen Bestimmungen Beschluss gefasst werden muss. Die Stockwerkeigentümergemeinschaft braucht in diesem Sinne ein „Mandat“ der Stockwerkeigentümer, auch wenn ihr Nachbesserungsrechte abgetreten worden sind.

5. Entscheidung
Im vorliegenden Fall bejahte das Bundesgericht die Aktivlegitimation (Vermögensfähigkeit) der Stockwerkeigentümergemeinschaft für die geforderte Nachbesserung. Sie konnte also unter eigenem Namen die Nachbesserungsrechte durchsetzen.

Fazit
Die Stockwerkeigentümergemeinschaft selbst kann nur unter Erfüllung spezifischer Voraussetzungen Mängelrechte durchsetzen. Es muss sich erstens um Mängel der gemeinschaftlichen Teile handeln, zudem müssen zweitens die Ansprüche der Gemeinschaft zustehen. Letzteres setzt entweder einen Vertrag der Gemeinschaft voraus oder eine Abtretung an sie. Zudem muss die Sanierung und eine allfällige Prozessführung durch die Stockwerkeigentümer beschlossen werden.

The Advisor – Rund um Immobilien