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Schadenersatzanspruch des ausziehenden Mieters

Sachverhalt
Der Mieter mietete mit Vertrag vom 12. November 1996 von den Vermietern eine 4-Zimmer-Wohnung. Mietbeginn war der 1. Januar 1997. Mit amtlichem Formular vom 18. Januar 2013 kündigten die Vermieter das Mietverhältnis ohne Angabe einer Begründung auf den 30. Juni 2013. Auf Nachfragen des Mieters gab der Verwalter der Liegenschaft „Eigenbedarf“ als Kündigungsgrund an und konkretisierte dies am 12. März 2013 mit dem Hinweis, der Sohn der Vermieter wolle die Wohnung mit seiner Familie benutzen. Der Mieter focht die Kündigung bei der Schlichtungsbehörde des Bezirks Zürich an. Er machte geltend, der Eigenbedarf sei als Kündigungsgrund vorgeschoben. In Wahrheit werde beabsichtigt, die Wohnung teurer weiterzuvermieten. Das Mietgericht Zürich stellte mit Urteil fest, dass die Kündigung nicht missbräuchlich ist. Dieses Urteil blieb unangefochten. Der Mieter verliess in der Folge die Wohnung. Zu einem späteren Zeitpunkt nahm der Mieter wahr, dass die Wohnung im Internet zur Miete ausgeschrieben wurde, und zwar zu einem um rund Fr. 650.- höheren Mietzins. Dies nahm der Mieter zum Anlass, die Vermieter auf Schadenersatz für die Umzugskosten und die Mietzinsdifferenz einzuklagen. Die Klage wurde damit begründet, dass der Eigenbedarf der Vermieter im Anfechtungsverfahren nur vorgeschoben worden sei.  Das Mietgericht und das Obergericht des Kantons Zürich schützten die Schadenersatzklage mit reduziertem Schadenersatz.

Streitgegenstand / Problemstellung
Zu entscheiden war die Frage, ob ein Mieter gegen den Vermieter Schadenersatz geltend machen kann, nachdem eine Klage auf Anfechtung der Kündigung rechtskräftig abgewiesen wurde (zum Entscheid vgl. Bundesgericht in 4A_563/2017).

Entscheidungskriterien
1. Die Kündigung durch den Vermieter und deren Anfechtung
Die ordentliche Kündigung eines Mietvertrages setzt keinen besonderen Kündigungsgrund voraus. Mieter und Vermieter sind nach Art. 266a Abs. 1 OR grundsätzlich frei, ein unbefristetes Mietverhältnis unter Einhaltung der vertraglichen oder gesetzlichen Fristen und Termine zu beenden.
Die Kündigung von Wohn- oder Geschäftsräumen ist allerdings gemäss Art. 271 Abs. 1 OR anfechtbar, wenn sie gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstösst. Als treuwidrig gilt eine Kündigung allgemein, wenn sie ohne objektives, ernsthaftes und schützenswertes Interesse ausgesprochen wird und damit aus reiner Schikane erfolgt oder Interessen der Parteien tangiert, die in einem krassen Missverhältnis zueinander stehen. Art. 271a OR zählt einzelne Gründe auf, bei deren Vorliegen die Kündigung insbesondere anfechtbar ist.

2. Folgen einer treuwidrigen Kündigung
2.1 Auswirkung auf das Mietverhältnis
Gemäss Gesetz kann eine Kündigung, die gegen Treu und Glauben verstösst, angefochten werden (Art. 271 f. OR). Ist die Anfechtung erfolgreich, bleibt das Mietverhältnis bestehen; wird die Anfechtung abgewiesen, bleibt die Kündigung gültig und das Mietverhältnis wird beendet.

2.2 Schadenersatzansprüche
Eine Schadenersatzpflicht bei treuwidriger Kündigung, auch wenn keine Anfechtung erfolgt, ist im Gesetz nicht vorgesehen, wird aber von der Literatur aufgrund von Art. 97 OR (Vertragsverletzung) und Art. 41 OR (unerlaubte Handlung) bejaht. Auf dieser Grundlage haben Mietgericht und Obergericht die Schadenersatzpflicht festgestellt. Sie betrachteten die Kündigung der Vermieter als vorgeschoben.

3. Bindungswirkung eines Urteils
Zu beachten ist allerdings immer auch der Grundsatz der „res iudicata“. Ein formell rechtskräftiges Urteil ist in einem späteren Verfahren unter denselben Parteien verbindlich und kann nicht mehr in Frage gestellt werden (Art. 59 Abs. 2 lit e ZPO). Im vorliegenden Fall wurde die Klage des Mieters auf Anfechtung der Kündigung rechtskräftig abgewiesen.

Entscheidung
Das Bundesgericht geht von der Priorität der Bindungswirkung des Urteils im Anfechtungsverfahren aus. In einem späteren Schadenersatzprozess kann das erste Urteil nicht mehr in Frage gestellt werden. Da im Anfechtungsprozess rechtskräftig festgestellt wurde, dass die Kündigung nicht treuwidrig war, kann nicht im späteren Schadenersatzprozess eine Treuwidrigkeit angenommen und daraus Schadenersatz abgeleitet werden. Mietgericht und Obergericht haben diese Bindungswirkung nicht beachtet, weshalb die Beschwerde geschützt und die Schadenersatzklage vom Bundesgericht abgewiesen wurde.

Fazit
Bei der Kündigung eines Mietverhältnisses ist bei der Begründung sorgfältig vorzugehen. Falsche Begründungen können zu Schadenersatzansprüchen führen.
Kommt es allerdings im Anschluss an die Kündigung zu einem Anfechtungsprozess, geht das Urteil dieses Prozesses vor. Wird die Anfechtungsklage rechtskräftig abgewiesen, bindet dies den Richter bei einem späteren Schadenersatzprozess. Zum Zeitpunkt der Kündigung ist allerdings völlig offen, ob der Mieter anfechten wird und es zu einer Abweisung der Anfechtungsklage kommt.

The Advisor – Rund um Immobilien