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Schicksal von Mietverhältnissen bei Verkauf

Was passiert eigentlich, wenn ein Eigentümer seine Liegenschaft verkauft, er aber die Liegenschaft vermietet hat? Was gilt vor allem für den neuen Eigentümer? Einen anschaulichen Fall dazu enthält der Bundesgerichtsentscheid BGE 142 III 336.

Sachverhalt
Die Mieterin hat seit dem 1. Juni 2004 Geschäftsräume zum Gebrauch für eine Autogarage gemietet. Mietobjekt sind zusätzlich verschiedene Parkplätze. Mit dem damaligen Eigentümer wurde eine feste anfängliche Dauer von 10 Jahren, d.h. vom 1. Juni 2004 bis zum 30. Juni 2014 vereinbart. Der Mietvertrag erneuert sich jeweilen stillschweigend um fünf Jahre, wenn er nicht mindestens ein Jahr vor Ablauf schriftlich gekündigt wird. Im Laufe der Mietdauer änderte das Eigentum an der Mietliegenschaft mehrmals. Im Juni 2013 auf jeden Fall verkaufte die letzte Eigentümerin die Liegenschaft weiter an die neue Eigentümerin. Die neue Eigentümerin ist eine im Verkauf, Kauf, in der Vermittlung und der Verwaltung von Immobilien und im Hotelbetrieb tätige Gesellschaft. In Ziffer 6 des Kaufvertrages wurde eine Regelung aufgenommen, wie mit den bestehenden Mietverhältnissen umzugehen war. Allerdings verwies diese im Prinzip auf das anwendbare Gesetz. Im Anschluss an den Kaufvertrag kündigte die neue Eigentümerin am 20. September 2013 auf offiziellem Formular die Mietverhältnisse der Mieterin auf den 1. April 2014. Sie berief sich in ihrem Begleitschreiben auf die Notwendigkeit für sie, wichtige Abbruch- und Bauarbeiten vorzunehmen, um die Liegenschaft an die Gebrauchsanforderungen anzupassen. Zuvor hatte die Gemeinde einen Teilnutzungsplan genehmigt. Ebenfalls wurden von der neuen Eigentümerin zwei Baugesuche eingereicht. Teile der Liegenschaft sollten von der neuen Eigentümerin als Hotel genutzt werden.

Rechtslage
Wie zu erwarten war, war die Kündigung des Mietverhältnisses strittig. Die Mieterin berief sich auf ihren Mietvertrag und die darin vorgesehene feste Dauer, der neue Eigentümer auf sein Eigentum und darauf, dass die Mietverträge nicht von ihm abgeschlossen wurden.
a) Anwendbar ist grundsätzlich Art. 261 OR
Veräussert der Vermieter die Sache, so geht nach Art. 261 Abs. 1 OR das Mietverhältnis mit dem Eigentum an der Sache auf den Erwerber über. Der neue Eigentümer kann jedoch nach Art. 261 Abs. 2 OR das Mietverhältnis früher kündigen. Vorausgesetzt ist ein dringender Eigenbedarf. Kündigt der neue Eigentümer nach diesem Abs. 2, also aufgrund von dringendem Eigenbedarf, früher, als es der Vertrag mit dem bisherigen Vermieter gestattet hätte, so haftet dieser dem Mieter für allen daraus entstandenen Schaden (Art. 261 Abs. 3 OR).
b) Andere Regelung im Kaufvertrag möglich
Die Regelung in Art. 261 Abs. 2 OR (Möglichkeit der Kündigung bei dringendem Eigenbedarf des neuen Eigentümers) ist allerdings dispositives Recht. Der neue Eigentümer kann sich im Kaufvertrag gegenüber dem Verkäufer dazu verpflichten, die Mietverträge bis zum vertraglichen Ablauf einzuhalten. Der alte Eigentümer vermeidet so seine Schadenersatzpflicht. Praxisgemäss kann sich der Mieter in solchen Fällen auf diese Bestimmung im Kaufvertrag berufen. Man nennt dies einen echten Vertrag zugunsten Dritter (Art. 112 Abs. 2 OR).
c) Dringender Eigenbedarf des neuen Eigentümers notwendig
Allerdings kann der neue Eigentümer nur bei dringendem Eigenbedarf vorzeitig kündigen. Vorzeitig heisst mit der gesetzlichen Frist auf den nächsten gesetzlichen Termin. Der Eigenbedarf muss zugunsten des neuen Eigentümers oder seiner nahen Verwandten oder Verschwägerten bestehen. Die Interessen des Mieters sind bei der Frage nach dem Eigenbedarf nicht zu prüfen. Es muss sich aber um einen eigenen Bedarf des neuen Eigentümers oder seiner nahen Verwandten oder Verschwägerten handeln, wobei auch der Bedarf an einem Teil des erworbenen Objektes genügt. Der Eigenbedarf des neuen Eigentümers muss zudem dringend sein. Diese Dringlichkeit liegt vor, wenn es ihm aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen nicht zuzumuten ist, auf die Benutzung der vermieteten Wohnung oder des Geschäftsraumes zu verzichten; genauer, wenn es ihm nicht zuzumuten ist, den vertraglichen Kündigungstermin unter Beachtung der vertraglichen Frist abzuwarten.
d) Erstreckungsmöglichkeit des Mieters
Auch wenn der dringende Eigenbedarf vorliegt, kann der Mieter das Begehren um Erstreckung des Mietverhältnisses fordern.

Entscheidung
Im vorliegenden Fall hat das Bundesgericht die Kündigung des neuen Eigentümers geschützt. Der dringende Eigenbedarf lag vor. Trotzdem wurde der Fall aber an die Vorinstanz zurückgewiesen, um die Möglichkeit einer Erstreckung zu prüfen.

Fazit
Ein Verkäufer, der eine vermietete Liegenschaft verkauft, tut gut daran, die damit zusammenhängende Problematik im Kaufvertrag einlässlich zu regeln. Er riskiert sonst überraschende Schadenersatzforderungen seiner Mieter.

The Advisor – Rund um Immobilien