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Soviele Werte wie Schätzer

Sachverhalt
Im Kanton Aargau kam eine Liegenschaft zur Verwertung. Bei der Liegenschaft handelte es sich um ein Einfamilienhaus, welches aber noch nicht fertig gebaut war.
Das Betreibungsamt holte beim Schätzer C. ein Gutachten ein. Dieser kam in seinem Gutachten auf einen Verkehrswert von Fr. 1‘070‘000.00.
Dies passte dem Gläubiger A. ganz und gar nicht. Er verlangte von der unteren betreibungsrechtlichen Aufsichtsbehörde eine neue Schätzung. Diese ordnete eine neue Schätzung an. Der Schätzer D. kam auf einen Verkehrswert von Fr. 1‘250‘000.00. Die untere Aufsichtsbehörde verlangte in der Folge, dass das Betreibungsamt auf diese neue Schätzung abzustellen habe.
Aber auch damit konnte sich A. nicht anfreunden. Er war der Meinung, der „korrekte“ Verkehrswert liege bei Fr. 1‘503‘380.00 und er trat den Marsch zum Bundesgericht an. Zur Unterstützung liess er ein Privatgutachten erstellen, welches den Verkehrswert mit Fr. 1‘426‘293.00 bezifferte.

Streitgegenstand / Problemstellung
Zu entscheiden war die Frage, auf welche Schätzung im Betreibungsverfahren abzustellen war (zum Entscheid vgl. Bundesgericht in 5A_692/2017).

Entscheidung
1. Grundlagen der Liegenschaftenschätzung im Betreibungsverfahren
Gemäss Art. 99 Abs. 1 der Verordnung des Bundesgerichts über die Zwangsverwertung von Grundstücken vom 23. April 1920 (VZG; SR 281.42) ordnet das Betreibungsamt nach Mitteilung des Verwertungsbegehrens an den Schuldner und gegebenenfalls an den Dritteigentümer die Schätzung des zu verwertenden Grundstücks an.
Nach Art. 9 Abs. 2 VZG ist jeder Beteiligte berechtigt, innerhalb der Frist zur Beschwerde gegen die Pfändung (Art. 17 Abs. 2 SchKG) bei der Aufsichtsbehörde gegen Vorschuss der Kosten eine neue Schätzung durch Sachverständige zu verlangen. Streitigkeiten über die Höhe der Schätzung werden endgültig durch die kantonale Aufsichtsbehörde beurteilt (Art. 9 Abs. 2 i.V.m. Art. 99 Abs. 2 VZG).
Den Beteiligten steht kein Anspruch auf Einholung einer Oberexpertise zu.
Kommt der Fall vor das Bundesgericht, so entscheidet das Bundesgericht nicht über die richtige Schätzung. Es überprüft lediglich, ob die kantonale Aufsichtsbehörde das massgebende Verfahren eingehalten hat und ob sie das ihr zustehende Ermessen überschritten oder missbraucht hat.

2. Verkehrswertschätzung und Preis
Die Schätzung des zu verwertenden Grundstückes (= Verkehrswertschätzung) sagt nichts über den an der Versteigerung tatsächlich erzielten Erlös (= Preis) aus. Die Verkehrswertschätzung gibt den Interessenten an der Versteigerung nur Anhaltspunkte über ein vertretbares Angebot.
Das Gesetz legt die Methode, wie bei der Schätzung vorzugehen ist, nicht fest. Es ist der Schätzer, welcher über die Methode bestimmt.

3. Schätzmethode bei Einfamilienhäusern
Bei der Bestimmung des Verkehrswertes ist die Methode, diesen Wert anhand des gewichteten Mittels aus Real- und Ertragswert zu bestimmen, anerkannt und verbreitet. Die Gewichtung hängt von der Art und den Besonderheiten des Bewertungsobjekts im konkreten Einzelfall ab.
Bei normalen Einfamilienhäusern ist der Realwert in der Regel wichtiger als der ertragsorientierte Wert. Allerdings hat der Ertragswert auch dort eine gewisse, wenn auch untergeordnete Bedeutung.
Der Sachverständige D. hat den Verkehrswert der betroffenen Liegenschaft aus dem gewichteten Mittel aus Real- und Ertragswert abgeleitet. Der Ertragswert hatte dabei einen Gewichtungsfaktor von 10%, war also von untergeordneter Bedeutung.

4. Entscheidung
Gemäss Bundesgericht durfte die untere Aufsichtsbehörde deshalb auf die Verkehrswertschätzung von D. und damit auf einen Verkehrswert von Fr. 1‘250‘000.00 abstellen.

Fazit
Fragen des richtigen Schätzens eigenen sich schlecht für eine richterliche Überprüfung. Statt die Schätzung neu vorzunehmen, werden das Verfahren der Schätzung (Methode) und die Kriterien, welche der Schätzung zugrunde liegen, überprüft. Es wird gefragt, ob Verfahren und Kriterien Sinn machen. Bei der Antwort wird massgeblich auf die anerkannte Schätzerpraxis abgestellt.

The Advisor – Rund um Immobilien