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Streit ohne Ende

Sachverhalt
Es geht einmal mehr um ein Mietverhältnis. Der ursprüngliche Mietvertrag für eine 3.5-Zimmerwohnung im Kanton Waadt trug das Datum vom 19./27. Mai 2009. Der Mietzins wurde mit netto Fr. 1‘500.- festgelegt. Im März 2010 erwarben die heutigen Vermieter die Liegenschaft und traten damit ins Mietverhältnis mit dem Mieter ein. Im Jahr 2011/2012 kam es zu einem ersten Streit. Gegenstand war eine Mietzinsreduktion wegen Sinkens des Referenzzinssatzes. Die Parteien konnten sich noch vor der Schlichtungsverhandlung einigen. Im Jahr 2012/2013 stritten die Vertragsparteien in einem zweiten Fall über die Kündigung der Vermieter. Vor Mietgericht anerkannten die Vermieter das Anfechtungsbegehren des Mieters und die Kündigung wurde damit aufgehoben. Im April 2013 leitete der Mieter in einem dritten Streit eine Klage ein. Er forderte die Feststellung der Nichtigkeit des Anfangsmietzinses, die richterliche Festsetzung des Mietzinses auf netto Fr. 900.- ab Mietbeginn und die Rückerstattung des zu viel bezahlten Mietzinses. Während den vorhergehenden zwei Verfahren merkten die Mieter nämlich, dass der Anfangsmietzins nicht mit dem amtlichen Formular mitgeteilt wurde; dies im Kanton Waadt aber Pflicht war. Die kantonalen Gerichte im Kanton Waadt wiesen die dritte Klage des Mieters ab. Das Bundesgericht war anderer Meinung.

Streitgegenstand
Vor Bundesgericht zu entscheiden waren verschiedene Fragen, nämlich die Aufhebung des Anfangsmietzinses, dessen richterliche Neufestsetzung, die Verjährung der Rückforderung des zu viel bezahlten Mietzinses und das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs (Bundesgericht in 4A_254/2016).

Entscheidungsnorm
a) Pflicht zur Mitteilung des Anfangsmietzinses, Folgen bei Unterlassen
In gewissen Kantonen, so im Kanton Waadt und Zürich, muss bei Mietvertragsabschluss der Anfangsmietzins mit dem amtlichen Formular mitgeteilt werden. Das Formular muss über den vom bisherigen Mieter bezahlten Mietzins informieren. Die Übergabe erfolgt bei Vertragsabschluss, spätestens bei Übergabe der Mietsache. Wird das Formular innerhalb von 30 Tagen nach Übergabe überreicht, beginnt ab dann die Anfechtungsfrist von 30 Tagen. Eine Überreichung nach 30 Tagen wird gleich wie eine fehlende Übergabe behandelt. Der Mieter kann, wie ausgeführt, den Anfangsmietzins innerhalb von 30 Tagen nach Übergabe des Mietobjektes als missbräuchlich anfechten. Unterlässt er dies, wurde ihm aber das Formular ausgehändigt, gilt der Anfangsmietzins als genehmigt. Hat der Mieter das amtliche Formular nicht erhalten, kann er innerhalb der nachfolgend erläuterten Befristung jederzeit auf richterliche Festsetzung des Anfangsmietzinses und auf Rückerstattung des zu viel bezahlten Mietzinses klagen. Die Rückerstattung richtet sich nach den Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung.

b) Befristung des Aufhebungs- und Rückforderungsanspruchs
Der Rückforderungsanspruch verjährt innerhalb eines Jahres seit Kenntnis des Anspruchs, in jedem Fall aber innerhalb von 10 Jahren seit Entstehung. Erforderlich ist positive Kenntnis des Anspruchs. Der Mieter muss die erforderlichen Angaben besitzen, um die Klage begründen zu können, wobei eine Bezifferung nicht notwendig ist. Abgestellt wird auf die tatsächliche Kenntnis, nicht auf ein Kennenmüssen. Erhält der Mieter das erforderliche Formular nicht, wird fehlende Kenntnis zudem vermutet. Der Vermieter muss die Kenntnis beweisen. Was für den Rückforderungsanspruch gilt, ist auch für die Befristung des Aufhebungsanspruchs anwendbar.

c) Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs
Auch wenn der Mieter die erwähnten Fristen einhält, ist immer auch zu prüfen, ob der Anspruch des Mieters nicht rechtsmissbräuchlich geltend gemacht wird. Diese Ausnahme des Rechtsmissbrauchs wird aber sehr einschränkend verwendet. Aus einer klaglosen Zahlung über längere Zeit hinweg kann regelmässig kein Rechtsmissbrauch abgeleitet werden.

Entscheidung
Das Bundesgericht hob die vorinstanzlichen Urteile auf.
Unbestritten war, dass das amtliche Formular dem Mieter nicht ausgehändigt wurde. Damit war der Anfangsmietzins innerhalb der erwähnten Befristung jederzeit anfechtbar und der Mieter konnte den zu viel bezahlten Mietzins zurückfordern. Allerdings sind die Vorinstanzen von einer Verjährung des Rückforderungsanspruchs ausgegangen. Sie haben argumentiert, dass der Vertreter der Mieter die Anfechtbarkeit des Anfangsmietzinses wegen fehlendem Formular während den vorhergehenden zwei Verfahrens hätte zur Kenntnis nehmen müssen. Das Bundesgericht enthielt dem entgegen, dass positive Kenntnis erforderlich sei, nicht nur Kennenmüssen des Mangels. Aus dem Sachverhalt ergebe sich nicht, wann der Mieter oder sein Vertreter positive Kenntnis gehabt hätte. Die Frage der Verjährung konnte deshalb nicht überprüft werden, was zur Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile führte.

Fazit
Ist in einem Kanton die Verwendung des amtlichen Formulars für die Mitteilung des Anfangsmietzinses vorgeschrieben, ist mit dieser Vorschrift nicht zu spassen. Der Vermieter tut gut daran, erstens das Formular korrekt auszufüllen und zweitens die Übergabe des Formulars sowie auch des Mietobjekts beweiskräftig festzuhalten.

 

The Advisor – Recht