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Zufall statt richterliche Entscheidung

Es gibt wohl kaum langwierigere Streitigkeiten als unter Erben. Oft kommt es zu langen und teuren Prozessen, in welchen die eine Partei der anderen nichts schenkt. Dabei wäre doch alles so einfach, wenn sich die Erben einig wären. Bei strittigen Erbstreitigkeiten kommen auch Gerichte an die Grenze von rationalen Entscheidungen (Bundesgericht, 5A_396/2015 vom 22. Juni 2017).

Sachverhalt
In einem Erbteilungsprozess waren sich die Erben über die Zuteilung der konkreten Gegenstände des Nachlasses uneinig, wobei es vor allem um Liegenschaften, ein Ferienhaus und Aktien ging. Das Kantonsgericht Graubünden bildete aus den verschiedenen Gegenständen des Nachlasses Lose und teilte diese Lose dann aufgrund der Erbquoten zu. Diese Zuteilung wurde durch richterliche Entscheidung aufgrund objektiver Gründe vom Gericht selbst vorgenommen.

Beurteilung
Wichtig sind die Rechtsbegehren
Auch im Erbteilungsprozess gilt die Dispositionsmaxime. Die Parteien haben die Rechtsbegehren zu stellen und das Gericht darf nur im Rahmen dieser Rechtsbegehren entscheiden. Insbesondere wird die Erbteilung vom Gericht nur dann vorgenommen, wenn dies wenigstens von einem Erben verlangt wird. Bei der Formulierung der Rechtsbegehren ist zu beachten, dass ein Erbe nach Art. 604 ZGB grundsätzlich wohl die Vornahme der Erbteilung, ausser im Fall von gesetzlichen Ausnahmen aber nicht die Zuweisung bestimmter Nachlassgegenstände fordern kann.

Regeln bei der Erbteilung
Grundsätzlich können die Erben die Teilung des Nachlasses frei vereinbaren. Sie können sich mit einer solchen Einigung auch gegen Teilungsvorschriften des Erblassers hinwegsetzen. Mangels Einigung sind die Teilungsvorschriften des Erblassers entscheidend. Liegen auch keine Teilungsvorschriften vor, kommen die gesetzlichen Teilungsregeln zur Anwendung.

Gesetzliche Teilungsregeln
Zwei gesetzliche Teilungsregeln stehen im Vordergrund. Die Erben haben alle den gleichen Anspruch auf die Nachlassgegenstände. Der Anspruch besteht zudem in natura; eine Versilberung soll grundsätzlich nicht stattfinden. Nur ausnahmsweise, so im bäuerlichen Bodenrecht, kommen spezielle gesetzliche Zuordnungsvorschriften zum Zuge.

Bildung und Zuweisung von Losen
Konkret geht die Teilung, wenn sich die Erben nicht einigen, so vor sich, dass das Teilungsgericht – oder als Vorbereitung die Teilungsbehörde – aufgrund der vorliegenden Erbquoten Lose bildet. Erbschaftssachen, die durch ihre Aufteilung an Wert wesentlich verlieren würden, sind dabei den Losen einheitlich zuzuweisen. Haben Erbschaftssachen in einem Los keinen Platz, können dem Los Ausgleichszahlungen zugeordnet werden, wenn diese nicht erheblich sind. Sonst werden die Sachen versteigert, sei es intern, sei es unter den Erben. Anschliessend wird das Geld den Losen zugewiesen.
Sind die Lose gebildet, können sich die Erben über die Aufteilung einigen. Kommt es zu keiner Einigung, so kommt es zur Losziehung. Dem Teilungsgericht ist es nicht gestattet, die Zuweisung selbst vorzunehmen. Es erfolgt eine eigentliche Ziehung der Lose. Der Zufall geht also der begründeten richterlichen Entscheidung vor! Der Zufallsentscheid ist im Urteil als Dispositiv aufzunehmen.

Entscheidung
Im vorliegenden Fall hat das Kantonsgericht die Zuweisung der Lose selber vorgenommen und die Zuweisung im Urteil begründet. Das Bundesgericht hat festgehalten, dass die Loszuweisung dem Zufall vorzubehalten sei. Nur der Zufallsentscheid verwirkliche das Erben-Gleichbehandlungsprinzip. Der Entscheid des Kantonsgerichts Graubünden wurde deshalb aufgehoben.

Fazit
Erben, welche sich nicht einigen können, haben alle die gleichen guten Gründe für die Zuweisung der Lose. Die Frage der Zuweisung ist einer rationalen Entscheidung nicht mehr zugänglich. Der Zufall, d.h. „die Losziehung“, soll deshalb die objektive Entscheidung des Richters ersetzen. Die Zuweisung der Lose erfolgt nach dem Zufallsprinzip, d.h. jede Verteilung der Lose auf die einzelnen Erben muss die gleiche Wahrscheinlichkeit besitzen.

The Advisor – Recht